Wir Menschen sind schon seltsam.
Für das Wohlergehen unserer Familie und unseren Freunden geben wir alles. Unsere Haustiere hegen und pflegen wir mit Hingabe. Wir lieben die intakte Natur und verbringen gerne unsere Urlaube an möglichst unberührten Orten.
Obwohl wir fast alle wissen, dass Textilien in der Regel unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden, Tiere leiden müssen und die Natur verschmutzt wird, gelingt es nur wenigen ihr Konsumverhalten zu verändern.
Garne und Stoffe zählen auch zu den Textilien. Bei meiner Recherche zu respektvoll produzierten Materialien, bin ich im Netz auf einige Artikel gestossen, die kurz die wichtigsten Textilsiegel erklären. Die Siegel dienen als Entscheidungshilfe beim Einkauf: für die Verbraucher:innen soll auf einen Blick erkennbar sein, ob die Herstellung des Produkts ethische Standards erfüllt.
Das Thema nachhaltige und fair produzierte Textilien ist jedoch äusserst komplex und lässt sich in meinen Augen nicht mit einem kurzen Überblick über die wichtigsten Siegel abhandeln.
In diesem Artikel erkläre ich dir die Probleme rund um Umweltbelastung, Tierschutz und Arbeitsbedingungen bei der Herstellung.
Zu jedem Problem findest du Tipps, wie du auf umweltschonende, tiergerechte und sozial verträgliche Produktion von Handarbeitsmaterialien achten kannst.
Wir leben auf einem Planeten, von dem wir abhängig sind und dem wir grossen Schaden zufügen. Ein respektvoller Umgang mit Natur, Tier und Mensch ist meiner Ansicht nach das Gebot der Stunde.
Was genau sind fair und nachhaltig hergestellte Materialien?
Nachhaltig hergestellt bedeutet, dass im Ökosystem die Ressourcen so genutzt werden, dass sich das System wieder regenerieren kann und somit eine dauerhafte Nutzung gewährleistet ist.
Unter fair produziert verstehe ich würdige Arbeitsbedingungen für Textilarbeiter:innen und Bäuer:innen, sowie eine liebevolle, artgerechte Tierhaltung.
Die Kriterien für eine nachhaltige und faire Produktion sind demnach:
- Umwelt schonen
- Tierwohl
- Faire Arbeitsbedingungen
Umwelt schonen
Chemiefasern auf natürlicher Basis
Garne aus Bambus- und Eukalyptusholz werden gerne als besonders nachhaltig angepriesen. Das Garn wird jedoch nicht direkt aus der Naturfaser gemacht, wie es bei Leinen, Baumwolle und Hanf der Fall ist.
Synthetische Chemiefasern
Erdölbasierte Fasern wie Nylon, Polyamid, Polyester oder Polyacryl belasten unseren Planeten in beträchtlichem Masse.
Die Herstellung von Polyester benötigt laut Greenpeace mehr Energie als jene von Baumwolle. Bei der Gewinnung von Erdöl werden Boden, Luft und Wasser belastet. Mehr Informationen findest du hier.
Zudem entsteht bei der Wäsche Mikroplastik, das sich übers Wasser in Böden, aber auch in den Körpern von Tier und Mensch einlagert.
Das vielleicht grösste Problem an erdölbasierten Fasern ist gleichzeitig auch ein Schlüssel zur Lösung.
Da synthetische Garne und Stoffe so günstig hergestellt werden können, kurbeln sie natürlich den Konsum an.
Indem wir aus weiser Voraussicht auf (un)günstige Synthetikmaterialien verzichten, leisten wir einen wichtigen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz.
Chemikalien in Textilveredlung und Anbau
Bei sämtlichen Textilfasern, also auch bei natürlichen Fasern wie Baumwolle, Leinen, Wolle und Seide, werden bei nicht ausdrücklich umweltschonender Produktion Chemikalien für Vorgänge wie Bleichen, Färben, Glätten und Superwash-Ausrüstungen bei Wollgarnen eingesetzt.
Für die beliebte Baumwolle wird beim konventionellen Anbau eine grosse Menge an Chemikalien für Düngung und Schädlingsbekämpfung benötigt.
Die Chemikalien landen grösstenteils im Abwasser. Sie sind teilweise schwer abbaubar und können in den biologischen Kläranlagen nur bedingt reduziert werden. In Billiglohnländern verschmutzen die Chemikalien deshalb oft in die Gewässer und die synthetischen Pestizide und Düngemittel machen die Böden unfruchtbar.
Neben der Umweltbelastung sind die eingesetzten Chemikalien oft auch für die Arbeiter:innen in Landwirtschaft und Textilindustrie und sogar beim Tragen der fertigen Textilien für Menschen gesundheitsschädigend.
Klimaerwärmung
Nachteile von Baumwolle
Bei meinen Recherchen zum Thema Baumwolle lese ich immer wieder, über den enormen Bedarf an Wasser, Land, Pestizide und Düngemittel beim konventionellen Baumwollanbau. Dabei bin ich auch auf diesen interessanten Artikel gestossen, der das Thema Baumwolle differenziert und fundiert beleuchtet, und dabei eine Firma nennt, die Lösungen für andere Wege aufzeigt.
Ein weiteres Problem beim Baumwollanbau sind Abhängigkeiten der Baumwollbauern von Saatgutherstellern. In Indien werden 90 Prozent der Baumwollanbauflächen mit gentechnisch verändertem Saatgut angebaut. Hohe Preise für Saatgut und tiefe Preise für den Verkauf der Baumwolle, führen für viele Bauern zu einer Schuldenfalle, aus der etliche nur noch den Selbstmord als Ausweg sehen. Hier kannst du mehr zum Thema Baumwolle und Kapitalismus lesen und hören.
Recycling
Heute werden kaputte oder nicht mehr benötigte Textilien verbrannt, zu Putzlappen oder Dämmmaterial verarbeitet, oder landen in gigantischen Altkleiderdeponien wie in der Atacama-Wüste.
Dabei könnten aus rezyklierten Textilien wieder Stoffe und Garne hergestellt werden.
Im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft hat die Europäische Kommission im März 2022 eine neue Strategie vorgestellt, um Textilien haltbarer, reparierbarer, wiederverwendbar und recycelbar zu machen.
Die Kreislaufwirtschaft steckt bei den Garnen noch in den Kinderschuhen. Recyclebar sind hauptsächlich Textilien aus reinen Materialien, also keinen Mischgeweben.
Unser Planet ist unsere einzige Heimat. Wir sind im Begriff, ihm durch masslosen Konsum grossen Schaden zuzufügen. Ich finde unser Verhalten ziemlich kurzsichtig.
So achtest du auf umweltschonende Herstellung
- Kaufe nur, was du wirklich benötigst.
- Verwende biologisch angebaute, naturbelassene Naturmaterialien, wie Leinen, Hanf, Baumwolle, Wolle oder Seide. Sie sind nachwachsend und vollständig biologisch abbaubar. Es gibt übrigens auch Sockengarne ohne synthetische Fasern.
- Setze Baumwolle sparsam ein. Wenn es Baumwolle sein muss, wähle Bio-Baumwolle. Baumwolle aus biologischen Anbau wird ohne künstlichen Dünger und Pestizide angebaut.
- Sinnvoller sind Garne aus genügsamen Pflanzen wie Hanf und Leinen. Sie können hier problemlos angebaut werden, sind resistent und liefern bei geringem Wasserverbrauch hohe Erträge.
- Bevorzuge Materialien aus europäischer Wolle, Hanf und Leinen von Marken, die bei ihrem Herstellungsprozess auf kurze Transportwege achten.
Tierwohl
- Gewalt bei der Schur
- Kupieren der Schwänze bei Schafen
- Sheep Dipping: Regelmässiges Bad in Insektizid- und Fungizidpräparat
- Mulesing: Entfernen der Haut rund um den Schwanz von Schafen ohne Schmerzausschaltung
Das Thema Seide lasse ich hier bewusst aus. Persönlich mag ich das Material nicht so sehr und habe mich bis jetzt noch nicht mit der Thematik des Tierschutzes befasst.
Es steht uns bestimmt nicht zu, so mit anderen Lebewesen umzugehen.Ich bin mir sicher, dass man Textilien mit Respekt und Liebe zu jedem Lebewesen herstellen kann.
So achtest du aufs Tierwohl
- Die Ergebnisse meiner Recherchen legen nahe, dass nur Marken, die ihre Lieferkette selbst eingerichtet haben und die Produktionsbetriebe regelmässig besuchen, für eine artgerechte Haltung garantieren können.
- Bei solchen Unternehmen findest du auf der Website auch transparente Angaben zum Tierwohl.
- Zweite Wahl ist ein glaubwürdiges Textilsiegel
Faire Arbeitsbedingungen
Ich lebe in einem Land mit existenzsichernden Löhnen, Gewerkschaften und Arbeitsgesetzen. Garne und Stoffe, die unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen hergestellt werden, können noch so schön aussehen, für mich sind sie niemals schön.
So achtest du auf faire Arbeitsbedingungen
- Für Kleidung gibt es Siegel wie Clean Clothes Campaign oder Fair Wear Foundation.
- Für Garne und Stoffe gibt es meines Wissens nur das GOTS-Siegel, das sowohl ökologische als auch soziale Standards abdeckt.
- Die Lieferketten in der Textilindustrie sind äusserst komplex. Meines Erachtens können nur Marken, die ihre Lieferkette selbst eingerichtet haben und die Produktionsbetriebe regelmässig besuchen, für anständige Arbeitsbedingungen garantieren.
- Bei solchen Unternehmen findest du auf der Website auch transparente Angaben.
Wie weiter?
Puh, da gibts ganz schön viel, worauf du achten musst.
Aber keine Sorge.
Materialien, welche ich für meine Designs verwende, wähle ich nach oben genannten Kriterien aus.
Relevante Informationen, welche ich nicht auf der Website des Unternehmens finde, hole ich mir durch Rückfragen bei den Herstellern ein.
Lies gleich das erste Wollportrait über Mondim von Rosa Pomar, ein portugiesisches Sockengarn.
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Neu!
In meinem neuen Artikel über nachhaltige Wolle gebe ich dir hilfreiche Kriterien für die Wahl von nachhaltigem Wollgarn an die Hand.
Danke für diese vielen, fundierten Informationen. Es bewahrheitet sich wieder einmal, daß nichts so einfach ist, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Liebe Martina, ich freue mich sehr, dass dir meine Informationen dienen!
Liebe Anja,
danke für den Artikel. Du sprichst es richtig an: Es sind auf alle drei Säulen der Nachhaltigkeit zu achten: der ökologischen, der sozialen und eben auch der ökonomischen. Lg Simone
Liebe Simone, ich danke dir für deinen fachkundigen Hinweis, der mich gerade noch inspiriert und weitergebracht hat! Herzlich, Anja
Liebe Anja
Vielen Dank für deinen sehr gründlich recherchierten Artikel zu diesem sehr wichtigen Thema!
Dass die Textilindustrie viele problematische Aspekte hat, war mir bewusst (und ich achte seit einiger Zeit sehr darauf, möglichst wenig und wenn, möglichst nachhaltig Textilien und Garne zu kaufen), ich habe aber noch einiges dazu gelernt.
Ich wusste zum Beispiel nicht, dass der Prozess, um Bambus als Faser zu gewinnen so unweltschädlich ist und dass Lyocell / Tencel eine nachhaltige Alternative ist. Ausserdem war mir nicht bewusst, dass Leinen beim Anbau viel weniger Ressourcen verbraucht als Baumwolle.
Allerdings stricke ich nur selten mit Pflanzenfasern, da ich es eher mühsam finde.
Das GOTS-Siegel sehe ich leider sehr selten bei Wolle. Kennst du da gute Garne?
Grosses Kompliment, ich freue mich auf die Fortsetzung!
Liebe Astrid, danke für deinen ausführlichen Kommentar! Ja, ich kenne ziemlich viele Garne mit GOTS-Siegel! Es stimmt, in der Schweiz findet man sie in (Offline-) Garngeschäften wirklich selten. Ich bin daran, eine Liste mit empfehlenswerten Garnen und Geschäften/Online-Shops zusammenzustellen. Das braucht noch ein wenig Zeit. Aber du bist ja im Newsletter und wirst als Erste davon erfahren!