In diesem Artikel erkläre ich dir, wie Recycling Garn hergestellt wird, auf welche Kriterien du punkto Nachhaltigkeit achten kannst und welche Garne diese Kriterien erfüllen.
Jedes Jahr werden weltweit mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Drei Viertel davon enden auf Müllkippen oder werden verbrannt.
In Europa werfen wir pro Jahr 5,8 Millionen Tonnen Kleidung weg – eine wahnsinnige Ressourcenverschwendung!
Das schreibt Greenpeace im Artikel Nachhaltiger leben-make something.
Am wirksamsten gegen die Kleiderflut ist es, weniger zu kaufen und das vorhandene durch Reparieren und gegebenenfalls Umstylen möglichst lange zu tragen.
An dritter Stelle folgt laut dem Bericht Vergiftete Geschenke von Greenpeace das Recyceln von Altkleidung und textilem Produktionsüberschuss.
Welche Vorteile hat die Herstellung von Recycling Garn?
- Spart Wasser, Energie und Chemikalien
- Kann regional hergestellt werden
- Im Idealfall muss das Garn nicht gefärbt werden
- Textiler Abfall wird reduziert
- Weniger Land und Gewässer werden mit textilem Müll verunreinigt
Gibt es auch Nachteile?
Produktionsbedingt sind die Fasern von recyceltem Material kürzer und deshalb unter Umständen etwas weniger strapazierfähig und reissfest. Oft ist aus diesem Grund ein relativ hoher Anteil an neuen Fasern nötig. Durch weitere Forschung an Recycling-Methoden kann die Qualität eventuell künftig noch besser werden.
In einer Podcastfolge vom Textilportal spricht Constanze Derham über den grossen Aufwand beim Sortieren und den hohen Faser und Qualitäts-Verlust beim Recyceln von Baumwolle, hör rein: Baumwoll-Recycling.
Angesichts dieser Nachteile und des (zu) guten Gewissens beim Konsum von recycelten Garnen, bin ich mittlerweile eher skeptisch über den nachhaltigen Wert derselben.
Wirklich nachhaltig ist es, weniger zu verbrauchen und was man hat lange zu nutzen.
Das spart sogar noch Geld.
Schau mal in der Rubrik Reparieren und ändern im Green Needle Magazin.
Da findest du Beispiele wie du deine Textilien aufhübschne, verwandeln und flicken kannst.
Wie wird Recycling Garn hergestellt?
Recycling Garn herstellen, bedeutet Garn aus Textilien zu machen, die sonst weggeworfen würden, also aus Textil-Müll.
Grob gesagt, kann man ungetragene Textilien aus Überproduktion oder bereits getragene Textilien recyceln.
Die Textilien werden nach Material sortiert, zum Beispiel könnten Baumwolltextilien zur Herstellung eines Recycling-Baumwollgarns heraussortiert werden. Alle anderen Materialien müssen nun entfernt werden: also Knöpfe, Reissverschlüsse, mit Polyester genähte Nähte und Ähnliches.
Dieser Prozess ist sehr aufwendig und deshalb auch dementsprechend teuer.
Im Idealfall werden Textilien nach Farben sortiert, so können Färbemittel eingespart werden.
Die nach Farben sortierten feinen Textilfasern können anschliessend auch noch untereinander gemischt werden, um gewünschte Farbtöne zu erhalten.
Danach werden die Teile mechanisch zerkleinert, dabei ergibt sich ein Verlust von bis zu 40% der ursprünglichen Menge.
Aus den Textilfasern wird am Ende neues Garn in der gewünschten Qualität und Dicke gesponnen.
Grundsätzlich können Alttextilien auch chemisch wieder zu neuen Fasern umgewandelt werden. Die Firma Renewcell mit dem Produkt Circulose, einer Art Viskose auf Basis von recycelten Fasern, zeigt, wie es geht.
Update März 2024: Wie fashionchangers.de mitteilt, ist die Firma leider Konkurs gegangen. Lies dazu den Post auf Instagram.
Die Informationen zu diesem Abschnitt stammen aus der Podcastfolge #29 Baumwoll-Recycling vom Textilportal. Hör rein, du bekommst dort noch einen tieferen Einblick in das Thema.
Gibt es Textilsiegel für Recycling Garn?
Ja!
Der Global Recycle Standard (GRS) stellt sicher, dass die sozialen, ökologischen und chemischen Vorschriften in der Produktion erfüllt werden.
OEKO-TEX STANDARD 100: frei von Schadstoffen für Konsument:innen.
Welches ist das beste Recycling Garn?
Welches das beste Recycling Garn für deinen Geschmack, deine Projekte und deine verwendeten Techniken ist, kannst du wahrscheinlich nur herausfinden, wenn du es ausprobierst. Meine Tipps beziehen sich hauptsächlich auf die Einschätzung der Nachhaltigkeit eines Garns.
Heute führt fast jede Garnhersteller-Firma ein oder mehrere Recycling Garne. Es liegt im Trend, nachhaltige Garne anzubieten.
Wenn eine Firma jedoch Dutzende von konventionell produzierten Garnen neben dem einen Recycling Garn führt, ist für mich kein Interesse an nachhaltiger Herstellung erkennbar. Es geht dann eher darum, möglichst viele Märkte zu bedienen.
In der Regel sind bei solchen Firmen auf der Website auch keine Texte zur konkreten Umsetzung von Nachhaltigkeit im Allgemeinen, geschweige denn detaillierte Angaben, woraus, wo und wie genau das Garn hergestellt wird, zu finden.
Ich stelle dir nun verschiedene Quellen von Textilabfall vor und nenne dir dazu jeweils einige Garn-Hersteller:innen, die entweder
- auf ihrer Website glaubhafte Angaben zur Nachhaltigkeit der Produktion machen
- über die ich punkto Nachhaltigkeit gutes gelesen oder gehört habe
- ein grosses oder ausschliessliches Sortiment an recycelten Garnen führen.
Abfälle aus der Textilindustrie: Pre-Consumer-Recycling
Wenn Stoffstücke für Kleidung zugeschnitten werden, entstehen zwischen den Stoffteilen Reststücke, etwa so wie beim Plätzchen ausstechen.
Und was machst du mit dem Teigrest bei den Plätzchen? Genau! Du wallst ihn wieder aus, um noch mehr Plätzchen ausstechen zu können.
An diesem Beispiel kannst du gut erkennen, wie unsinnig es ist, textile Abfälle wegzuwerfen.
Noch viel unbegreiflicher ist es jedoch, dass in der Textilindustrie auch Überproduktionen, die vom bestellenden Unternehmen aus irgendwelchen Gründen nicht abgenommen wurden, oft verbrannt werden oder in einer Mülldeponie landen.
Kleiner Exkurs: Es gibt auch Designer:innen, welche bei der Schnittführung darauf achten, möglichst wenige oder keine Reststücke entstehen zu lassen. Mehr darüber findest du im Artikel Zero-Waste-nähen vom Textilportal, wie immer mit Podacast-Folge.
Folgende Firmen stellen ihr Garn aus solchem Textilabfall her. Auf der Website gibt es Angaben zur Produktion und zum Thema Nachhaltigkeit.
- https://www.soul-wool.com/shop/de/kategorie_recycled
- https://www.pascuali.de/re-jeans
- https://www.sandnesgarn.de/tweed-recycled
- https://camarose.store/shop/hoest-226c1.html
- https://savetheyarn.ch/
Mit Save the Yarn habe ich im Februar 2024 ein Interview geführt.
Lies, wie die Marke Outlet Wolle aus der Textilindustrie zu Handstrickgarnen macht.
Auch unten stehende Firmen stellen ihr Garn aus solchem Textilabfall her.
Auf der Website gibt es keine oder nur vage Angaben zur Produktion und zum Thema Nachhaltigkeit, dafür haben sie fast ausschliesslich recycelte Garne.
Recycelte Garne enthalten oft produktionsbedingt einen Anteil synthetischer Fasern.
Bedenke immer, dass auch recycelte erdölbasierte Fasern beim Waschen in den Wasserkreislauf gelangen.
Deshalb empfehle ich darauf zu achten, dass der Synthetik-Anteil möglichst klein ist.Zero-Waste-nähen
Gebrauchte Textilien recyceln: Post-Consumer-Recycling
Folgende Firmen stellen ihr Garn aus gebrauchten Textilien her. Auf der Website gibt es Angaben zur Produktion.
Aus deinen fadenscheinigen Jersey-Spannbetttüchern oder zerlöcherten T-Shirts kannst du dir übrigens auch selbst dein eigenes Garn machen!
Im Artikel T-Shirt-Garn selber machen, erkläre ich dir, wie das geht.
Wollfasern retten
Ergänzung im März 24: Leider ist die Firma Konkurs gegangen. Gabriele Brandhuber vom Textilportal hat mich darauf aufmerksam gemacht.
Die Idee finde ich nach wie vor interessant:
Chiengora wird aus ausgebürsteten und gereinigten, Hundehaaren hergestellt. Hundebesitzer:innen und Hundesalons liefern feines Unterhaar an die innovative Firma Modus Intarsia.
Diese rettet den wertvollen Rohstoff, mischt ihn mit Merino- und Alpakawolle aus Deutschland und spinnt damit weiche Garne.
Im Artikel Chiengora-Wie Hundewolle die Textilindustrie revolutioniert, kannst du alles über die Hundewolle nachlesen.
Garn aus gebrauchten Strickstücken
Ina Goetz und Babette Sperling des Unternehmens UNDOYARN trennen in liebevoller Kleinarbeit gestrickte Kleidung auf, waschen und glätten das Garn und bereiten es für den Wiederverkauf wieder auf.
Die beiden innovativen Frauen aus Chemnitz erhalten für Ihre Arbeit den Preis der Initiative Kultur- und Kreativpilot*innen 2023/24 der Bundesregierung Deutschland.
Der Name UNDOYARN ist zusammengesetzt aus undo, englisch für Auftrennen, und yarn, englisch für Garn.
Frisch aufbereitete Garnresten
Ebenfalls mit viel Liebe und Hingabe bereitet Annika von wollreste.ch Garngewirr, Garnresten und unvollendete Maschenwerke wieder zum Verkauf auf. Man kann ihr entsprechendes Material per Post an die auf der Website angegebene Adresse (in der Schweiz) schicken.
Sie zaubert daraus ansprechende Garnpakete, die Lust zum Loslegen machen:
Wie weiter?
Im Textilportal kannst du dir den empfehlenswerten Beitrag Baumwoll-Recycling anhören. Die Textilexpertin Constanze Derham erklärt, warum Baumwoll-Recycling nicht besonders effizient ist und dass es neben dem mechanischen Verfahren auch ein chemisches gibt, welches sie fast sinnvoller findet.
Kennst du weitere empfehlenswerte Recycling Garne?
Hast du Fragen zu dem Thema oder hat dich der Artikel weiter gebracht?
Scheibe mir gerne ganz unten einen Kommentar, ich freue mich darauf 😊
Nach und nach werde ich Garnfirmen, welche auf ihrer Website nur wenig konkrete Informationen zu Nachhaltigkeit angeben, um genauere Informationen bitten.
Die Ergebnisse veröffentliche ich in Form von Garn- und Firmenporträts im Magazin auf dieser Website.
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Wenn du mehr Garne und Handarbeitsmaterial Secondhand kaufen willst, hol die Liste mit den besten Adressen:
Mir gefällt dein anschauliches Beispiel mit dem Plätzchen-Ausstechen! Um diesen Abfall zu vermeiden, gibt es Bemühungen um „Zero Waste“ Schnitte. Aber bis sich das weltweit durchsetzt – falls es sich jemals durchsetzt – ist es sicher noch ein langer Weg. Leider ist Modus Intarsia/ Chiengora in Konkurs gegangen. Die Firma existiert nicht mehr.
Danke für deine ausführliche Zusammenstellung von Marken, die Recycling-Garne herstellen, und dass du die Produktionsbedingungen bzw. die Inhaltsstoffe (Poly-Anteil) hinterfragst! Liebe Grüße, Gabi
Danke liebe Gabi! Guter Punkt mit den Zero-Waste Schnitten, die werde ich noch erwähnen. Du hast ja dazu den Beitrag mit Stefanie Kroth gemacht.
Allerdings sehe ich manchmal auch Schnitte, die einfach aus rechteckigen Teilen gemacht sind. Das heisst, du trägst dann einfach die „Stoffreste“ mit deiner sackartigen Kleidung mit herum, das finde ich keine gute Lösung.
Danke für den Hinweis mit dem Konkurs von Intarsia/Chiengora. Ich habe mich schon gewundert, dass ich ihre Website nicht finden konnte. Schade!
Ein Portrait der Recycling-Garn-Marke Save the Yarn ist ein Arbeit.
Deine Wertschätzung bestärkt mich weiter zu forschen, vielen Dank!